Asien – Chancen und Bedrohung zugleich

MIT – Live mit Podiumsdiskussion

Deutsche Mittelständler haben ihr Asien-Geschäft in den letzten Jahren signifikant erweitert und das Interesse ist ungebrochen – zurzeit besonders aufgrund robuster Nachfrage aus China. Der China-USA-Konflikt hat aber zu einer Neubewertung von Chancen und Herausforderungen in Asien geführt. Welche Risiken gibt es beim Investment in China? Wie sieht die Konkurrenz zu heimischen Unternehmen aus? Wie beeinflusst die Menschenrechtslage die Diskussion? Sollten deutsche Unternehmen eher nach Indien oder Vietnam ausweichen oder diese Märkte aufbauen? Dr. Stefan Tetzlaff, Historiker, Politik- und Regionalwissenschaftler, führt die Podiumsdiskussion mit Dipl.Kfm.Florian Festge, Markus Hatzfeld und Klaus Helpster.

Dr. Stefan TetzlaffDr. Stefan Tetzlaff

Für viele Mittelständler stellt sich die Frage einer Diversifikation im Asiatischen Wirtschaftsraum, ein Terrain mit vielen Ungewissheiten, Chancen aber auch Risiken. Auch politische Restriktionen, kulturelle Gepflogenheiten und hierarchische Strukturen sind dabei unverzichtbar zu verstehen, zu berücksichtigen und zu respektieren. Asien, und hier voran China und Indien, aber z.B. auch Vietnam sind schnell wachsende und sich entwickelnde Wirtschaftsräume, in denen der „deutsche Bürokratismus“ oftmals zur Entwicklungsbremse mutiert. Zeitgleich erhöht sich dort sowohl die Qualität der Produkte, wie auch die Fertigungsverfahren – good old „Made in Germany“ riskiert dabei nach hinten zu rutschen. Teilweise werden sogar die in China deutlich preisgünstiger gefertigte Waren vorrangig verlangt, da die Qualität mittlerweile nicht mehr zwangsläufig schlechter sein muss. Wie Herr Festge ausführte, wird es lt. Prognosen 2050 etwa 10 Mrd. Menschen auf der Welt geben, davon werden ca. 7 Mrd. in Asien und Afrika leben, damit bleiben gerade mal 3 Mrd. in den heute von uns angestammten Märkten Europa und Amerika. Damit werden der Focus und die Trends, die heute aus dem Westen vorgegeben werden, zukünftig vom Osten bestimmt. Diese Entwicklung führt  unweigerlich zu einer höheren wie auch bedrohlicheren „Konkurrenz“. Ein Fazit hieraus ist die Notwendigkeit im asiatischen Markt vor Ort aktiv zu werden.

Wie Herr Helsper, Abteilungsleiter Deutsche Wirtschaft bei der DEG, einer 100 % Tochter der KfW darstellte, begleitet und fördert die DEG vor Allem die deutsche Privatwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländer. Dabei sieht Herr Helsper den deutschen Mittelstand in Asien bereits vertreten, während Afrika hier noch größere Entwicklungspotentiale vorsieht. In den meisten Fällen beginnt der Prozess mit einer Machbarkeits-/Marktstudie, die von der DEG bezuschusst wird. Die DEG geht im Weiteren „zusammen“ mit den Mittelständlern in die jeweiligen Zielmärkte, um dort vor Ort Finanzierungsmöglichkeiten auszuloten. Darin unterscheidet sich die Vorgehensweise von den in Deutschland ansässigen Geschäftsbanken. Darüber hinaus berät die DEG auch im Aufbau, wie zum Beispiel beim Vorgehen zur Personalbeschaffung von Fachkräften vor Ort, wofür in immer mehr Ländern deutschsprachige „German Desk“ der DEG vor Ort eingerichtet werden. Herr Festge ergänzte, dass es enorm wichtig sei, dass die deutsche Wirtschaftspolitik ebenfalls bei der Finanzierung ausländischer Absatzmärkte deutscher Anbieter tätig werden muss. Er sei es inzwischen leid, in Afrika auf großen Werbebannern zu lesen, dass die Chinesen den Kunden den Kauf ihrer Waren finanzieren. Herr Hatzfeld, der viele Jahre in China Unternehmensstrukturen aufgebaut hat, betonte die oftmals vorherrschenden hierarchischen strikten Strukturen und die Notwendigkeit, erfahrene Berater zielorientiert hinzuzuziehen. Wie er weiter berichtete verfügt China über kein duales Ausbildungssystem, daraus resultiert ein großes Defizit an Facharbeitern. In China herrscht im Wesentlichen die Blue/White-Color-Philosophie (Arbeiter im Blaumann oder Manager) vor.

Aktuell stehen Afrika aber auch Vietnam im Focus von Expansionsstrategien, da auch China inzwischen ein gestiegenes Preisniveau verzeichnet und für deutsche Mittelständler als politisch riskant angesehen wird. In einer anschließenden Fragerunde, warf Hennig Rehbaum (MdL) und wirtschaftspolitischer Sprecher in der CDU-Landtagsfraktion die Fragen auf, ob asiatische Unternehmen aufgrund der Nichtbeachtung klimapolitischer Aufgaben und Investitionen einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Herr Dr. Tetzlaff verwies darauf, dass hier einige chinesischen Unternehmen bereits sehr weit sind und uns vor Allem im Bereich der Wasserstofftechnologie und Elektrolyse einiges voraus. Herr Festge unterstrich in diesem Punkt, dass die Chinesen ihre Lebensqualität deutlich verbessern wollen und alleine daher ein großes Interesse am Umweltschutz entwickelt haben – auch hier ist die Gefahr, dass die Chinesen uns technisch überholen. Auf eine Frage von Frau Katrin Schulze Zurmussen zum Risiko für den deutschen Mittelstand antwortete Herr Dr. Tetzlaff, dass Abkommen der ACP-Staaten (afrikanische, karibische und pazifische Staaten - nicht Indien) für die Chinesen zukünftig Märkte ausweiten und den Zutritt verbessern. Dies führt zwangsläufig zu Wettbewerbsnachteilen beim deutschen Mittelstand. Herr Friedrich, Gast mit langjähriger Chinaerfahrung, bedankte sich mit einem passenden chinesischen Sprichwort „Schauen Sie zu, dass Sie nicht auf dem Menü stehen, sondern in der Küche“ für die gute Veranstaltung.

Dies ergänzte Herr Festge in einem deutlichen Schlussbeitrag, wie folgt: „Wir verurteilen in der Politik, Presse und in der Gesellschaft „China 2025“, die USA mit „Amerika first“ auf das Schärfste. Wir meckern immer darüber, aber wir setzen dem nichts entgegen. Diese Staaten sind „hungrig“ und wollen eine bessere Lebensqualität für Ihre Bevölkerung. Wir subventionieren amerikanische Automobilehersteller, damit sie in Deutschland produzieren, Chinesische Baufirmen führen von uns subventionierte Infrastrukturprojekte durch – das sind tolle Visionen – aber leider nicht unsere.“ Herr Festge vermisst hier unsere Vorstellungen und den notwendigen Mut. Wir müssen als kleines Land nicht unbedingt alles „Made in Germany“ prozieren – aber „Wir sollten wieder die Denkfabrik in der Welt werden“ (Festge). Hier ist die Politik am Zuge, den Mittelstand zu motivieren und auf diesem Wege zu begleiten. Die Politiker müssen hier auch deutlich sagen, was sie von uns erwarten und wie wir uns dort aufstellen können, denn wir wollen das „Smartphone der Zukunft“ entwickeln.